Papst Franziskus und die Senioren

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Liebe Brüder und Schwestern, guten Tag!

Die heutige Katechese und die am kommenden Mittwoch sind den alten Menschen gewidmet, die im Bereich der Familie die Großeltern, die Onkel und Tanten sind. Heute denken wir über die gegenwärtige problematische Lage der alten Menschen nach, und beim nächsten Mal, also am kommenden Mittwoch, über den positiveren Aspekt der Berufung, die in diesem Lebensalter enthalten ist.

Dank des medizinischen Fortschritts ist das Leben länger geworden: Aber die Gesellschaft hat sich nicht zum Leben hin »erweitert«! Die Zahl der alten Menschen hat sich vervielfacht, aber unsere Gesellschaften haben sich nicht ausreichend organisiert, um Raum für sie zu schaffen, zusammen mit der rechten Achtung und konkreten Berücksichtigung ihrer Schwachheit und ihrer Würde. Solange wir jung sind, sind wir verleitet, das Alter zu ignorieren, so als wäre es eine Krankheit, die ferngehalten werden muss. Wenn wir dann alt werden, besonders wenn wir arm sind, wenn wir krank und allein sind, erfahren wir die Mängel einer Gesellschaft, die auf Leistung programmiert ist und infolgedessen die alten Menschen übersieht. Und die alten Menschen sind ein Reichtum, man darf sie nicht übersehen.

Benedikt XVI. gebrauchte bei einem Besuch in einem Seniorenheim deutliche und prophetische Worte, als er sagte: »Die Qualität einer Gesellschaft, ich möchte sagen einer Zivilisation, beurteilt sich auch danach, wie die alten Menschen behandelt werden und welcher Platz ihnen im gemeinsamen Leben vorbehalten ist« (Besuch im Seniorenheim »Viva gli anziani« der Gemeinschaft Sant’Egidio, 12. November 2012; in O.R. dt., Nr. 47, 23.11.2015, S. 7). Das ist wahr, die Fürsorge für die alten Menschen in einer Zivilisation ist entscheidend. Gibt es in einer Zivilisation Fürsorge für den alten Menschen? Gibt es einen Platz für den alten Menschen? Diese Zivilisation wird vorangehen, wenn sie die Klugheit, die Weisheit der alten Menschen zu achten versteht. Eine Zivilisation, in der es keinen Platz für die alten Menschen gibt, oder wo sie ausgesondert werden, weil sie Probleme verursachen, diese Gesellschaft trägt den Virus des Todes in sich.

Im Westen bezeichnen Wissenschaftler das gegenwärtige Jahrhundert als das Jahrhundert des Alterns: Die Zahl der Kinder geht zurück, die Zahl der alten Menschen steigt. Dieses Ungleichgewicht appelliert an uns, ja es ist eine große Herausforderung für die gegenwärtige Gesellschaft. Dennoch lässt eine Kultur des Profits die alten Menschen immer wieder als Last, als »Ballast« erscheinen. Sie sind nicht nur unproduktiv, meint diese Kultur, sondern sie sind eine Belastung. Kurz gesagt, was ist das Resultat eines solchen Denkens? Sie werden ausgesondert. Es ist schlimm zu sehen, dass alte Menschen ausgesondert werden, das ist etwas Schlimmes, es ist Sünde! Man wagt es nicht offen zu sagen, aber man tut es! Es liegt etwas Niederträchtiges in dieser Gewöhnung an die Wegwerfkultur. Wir sind jedoch daran gewöhnt, Menschen »wegzuwerfen«. Wir wollen unsere gesteigerte Angst vor Schwachheit und Verletzlichkeit beseitigen; aber indem wir das tun, mehren wir bei den alten Menschen die Angst, nur schwer erduldet zu sein und verlassen zu werden. [...]

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